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Propriozeption beim Hund – Wenn das Körpergefühl aus dem Takt gerät

Propriozeption beim Hund

Ursachen, Symptome & Hilfe bei Gangunsicherheit | Blog VetServices Aktive Pfoten

Golden Retriever hebt lahmende Pfote auf glattem Holzboden in Wohnzimmerumgebung – Symbolbild für Propriozeptionsstörung beim Hund.

Manche Hunde wirken plötzlich wackelig auf den Beinen, stolpern, setzen die Pfoten seltsam auf oder zeigen ein verändertes Gangbild. In vielen Fällen steckt eine Störung der sogenannten Propriozeption dahinter – einer meist wenig bekannten, aber entscheidenden Sinnesfunktion. Was bedeutet Propriozeption beim Hund?

 

Erfahre, wie du Gangunsicherheiten erkennst, welche Ursachen infrage kommen und was wirklich hilft – inkl. Alltagstipps & Übungen schildert Tierärztin Susanne Gnass in diesem Blog.

Was bedeutet Propriozeption?

Propriozeption ist die Fähigkeit eines Lebewesens, die Position seiner Gliedmaßen und Gelenke im Raum wahrzunehmen – also gewissermaßen das „Körpergefühl“. Ohne ständig hinzusehen, wissen wir und auch unser Hund, wo sich Beine, Pfoten oder Gelenke gerade befinden. Möglich machen das spezielle Sensoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken, deren Informationen über Nervenbahnen ans Gehirn weitergeleitet werden.

Funktioniert diese Rückmeldung nicht mehr korrekt, verliert der Hund das Gefühl für einzelne Körperteile – mit deutlichen Auswirkungen auf Koordination und Bewegung.

Anzeichen für gestörte Propriozeption bei Hunden

Die Symptome können subtil oder dramatisch ausfallen. 

Typische Hinweise sind:

  • Knuckling: Der Hund setzt die Pfote mit dem Handrücken auf und korrigiert die Stellung nicht oder stark verzögert
  • Schleifende Pfoten oder oder abgeschabte Krallen
  • Unkoordiniertes oder schwankendes Gangbild (Ataxie)
  • Stolpern, Umfallen oder plötzliches Einknicken der Hinterhand
  • Ungewöhnliche Körperhaltung im Stand oder Sitzen
  • Unsicherheiten beim Treppensteigen oder Springen

 

Solche Veränderungen sind immer ein Grund für einen tierärztlichen Check – besonders, wenn sie plötzlich auftreten oder sich verschlimmern.

Wie wird die Propriozeption untersucht?

Hund auf dem Untersuchungstisch zu einer Untersuchung der Propriozeption

Eine weitere einfache Untersuchung besteht darin, die Pfote des Hundes vorsichtig auf die Oberseite zu drehen und abzusetzen. Gesunde Hunde korrigieren die Stellung sofort und setzen die Ballen wieder richtig auf.

 

Bleibt die Pfote in der unnatürlichen Position oder braucht der Hund mehrere Sekunden zur Korrektur, ist das ein Hinweis auf ein neurologisches Problem – insbesondere eine gestörte Propriozeption.

Mögliche Ursachen für Propriozeptionsverlust

Eine gestörte Propriozeption ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom, das verschiedene Ursachen haben kann:

  • Bandscheibenvorfälle (IVDD) – wenn eine Bandscheibe auf das Rückenmark drückt
  • Traumatische Verletzungen – z. B. durch Stürze oder Unfälle
  • Degenerative Myelopathie – ein genetisch bedingter, fortschreitender Rückenmarksabbau
  • Spinale Infarkte – z. B. durch abgelöste Bandscheibenfragmente, die Blutgefäße blockieren
  • Wobbler-Syndrom – eine Verengung des Wirbelkanals im Halsbereich, meist bei großen Hunderassen
  • Tumore, Entzündungen oder Infektionen des zentralen Nervensystems
  • In sehr seltenen Fällen kann auch eine Nervenblockade nach einer OP zu vorübergehenden Ausfällen führen – eine bleibende Beeinträchtigung durch Narkose ist jedoch extrem unwahrscheinlich.

 

Diagnostik und weiterführende Untersuchungen

Neben einer ausführlichen klinischen und neurologischen Untersuchung können weitere Diagnosemethoden zum Einsatz kommen:

Icon Blutuntersuchung

Blutuntersuchung


Icon Röntgenuntersuchung

Röntgenuntersuchung


Icon CT oder MRT Untersuchung beim Hund

CT oder MRT (häufig bei Überweisung zur Neurologie)


Icon für Test der Reflexe, Muskelspannung und Tiefensensibilität

Tests der Reflexe, Muskelspannung und Tiefensensibilität


Behandlung: Was hilft bei Propriozeptionsstörungen?

 

Die Therapie richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache. Ziel ist es, Entzündungen zu lindern, Schmerzen zu kontrollieren und Bewegung sowie Muskulatur zu erhalten. Mögliche Bausteine:

  • Medikamente wie entzündungshemmende Schmerzmittel (NSAIDs), Muskelrelaxantien, Prednisolon oder Gabapentin
  • Physiotherapie und gezielte Bewegungstherapie
  • Akupunktur, Laser- oder Chiropraktik Behandlungen
  • Operationen, wenn z. B. ein Bandscheibenvorfall oder Tumor Druck auf das Rückenmark ausübt

 

Je früher die Behandlung beginnt, desto besser sind die Chancen auf Besserung!

Unterstützung im Alltag – Was Sie selbst tun können

Auch zu Hause können Sie einiges tun, um Ihrem Hund Sicherheit und Lebensqualität zu schenken:

  • Rutschfeste Teppiche auf glatten Böden auslegen
  • Orthopädische Hundebetten bereitstellen – am besten in jedem Raum
  • Treppen oder Rampen als Aufstiegshilfe bei Sofa oder Auto nutzen
  • Spezielle Geschirre zur Unterstützung beim Aufstehen, Gehen oder Einsteigen
  • Kognitive Beschäftigung bei eingeschränkter Beweglichkeit, z. B. mit Futterspielzeug
Blaue ToeGrips an Krallen von zwei Hundepfoten, die auf glattem Holzboden stehen.

Ein bewährtes Hilfsmittel sind Dr. Buzby’s ToeGrips®– kleine Gummiringe, die auf die Krallen geschoben werden. Sie verbessern die Bodenhaftung und helfen dem Hund bei einem korrekten Stand und Gang. So bekommt das Gehirn eine korrekte Rückmeldung über die Körperhaltung. 

Tipp

Vor allem bei schleifenden Pfoten empfiehlt sich die Fixierung mit einem Tropfen Sekundenkleber.

Propriozeptives Training – Sinnvolle Übungen

Unter Anleitung von Tierärzt:innen oder Physiotherapeut:innen können folgende Übungen helfen:

  • Gewichtsverlagerung zwischen den Gliedmaßen
  • Stehen auf drei Beinen
  • Gehen über weiche oder unebene Untergründe (z. B. Balance Pads)
  • Dehn- und Streckübungen

 

Achtung: Diese Übungen sollten niemals eigenständig ohne Anleitung durchgeführt werden, da sie bei falscher Anwendung mehr schaden als nützen können.

Fazit – Was Sie mitnehmen sollten

Ein gestörter Gleichgewichtssinn oder ein „komischer Gang“ beim Hund sollte immer ernst genommen werden. Auch wenn nicht jede Unsicherheit gleich ein Notfall ist, kann hinter scheinbar harmlosen Symptomen eine behandlungswürdige Ursache stecken.

 

Frühzeitige Diagnose, gezielte Therapie und eine angepasste häusliche Umgebung können entscheidend zur Genesung oder Stabilisierung beitragen. Und selbst bei bleibenden Einschränkungen ist Lebensqualität möglich – oft mit einfachen Mitteln.

💡 Tipp für Halter:innen von Seniorenhunden oder Hunden mit neurologischen Erkrankungen:

Lassen Sie regelmäßig die neurologische Funktion kontrollieren – besonders dann, wenn Sie erste Veränderungen im Gangbild bemerken.